In den schrecklichen Stunden der Passion unseres Herrn, da die Menschheit den Tod des Gottmenschen herbeiführte, öffnete sich ein Fenster der göttlichen Barmherzigkeit, das uns die unbegreifliche Tiefe des göttlichen Erbarmens aufzeigt. Der heilige Dismas, der Schächer zur Rechten Jesu am Kreuz, steht als ein strahlendes Beispiel für die Macht der göttlichen Gnade und der Reue, selbst in den letzten Augenblicken eines sündhaften Lebens.
Der Schächer und die Begegnung mit Christus
Wer war dieser Schächer, den wir heute als Heiligen verehren? Über den historischen Hintergrund des heiligen Dismas erfahren wir wenig aus den Evangelien. Doch was uns das Evangelium nach Lukas berichtet, ist von tiefer Bedeutung. Neben Christus wurden zwei Verbrecher gekreuzigt: Einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken. Der eine, dem später der Name Dismas verliehen wurde, erkannte in Jesus den unschuldigen, leidenden Messias. In dem Moment, in dem er die letzte Gelegenheit zur Umkehr hatte, wandte er sich an Jesus und sprach jene bedeutungsvollen Worte: „Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23,42).
Diese einfache, aber tiefgläubige Bitte wurde von Christus mit dem versöhnlichen und herrlichen Versprechen beantwortet: „Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Diese Worte bergen ein unergründliches Mysterium, das uns als Katholiken über das Wesen der göttlichen Vergebung und der Notwendigkeit des Glaubens nachdenken lässt.
Die Rolle der Gnade und der Reue
In diesem Moment der Verzweiflung und des Leidens wird Dismas zum Inbegriff der vollkommenen Reue. Seine Worte an Christus zeigen, dass er seine Schuld erkannt hat: „Wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan“ (Lk 23,41). Die Reue Dismas‘ war echt, vollständig und von einem tiefen Glauben an die Gnade Gottes durchdrungen. Der heilige Augustinus von Hippo beschreibt dieses Ereignis als ein wunderbares Beispiel für die Macht der göttlichen Gnade, die selbst den größten Sünder in den letzten Momenten des Lebens umformen kann:
„So zeigt sich der Herr, um seine Gnade zu offenbaren, damit niemand denke, seine Sünden könnten zu groß sein, als dass sie durch die Reue ungeschehen gemacht werden könnten.“
(Augustinus, Sermo 232,1)
Dismas‘ Glaube und seine Reue waren der Schlüssel zu seiner Erlösung. In der traditionellen katholischen Lehre wird uns immer wieder eingeschärft, dass die Gnade Gottes frei gegeben wird, jedoch bedarf es der menschlichen Zusammenarbeit durch die Sakramente, Reue und Glaube, um diese Gnade zu empfangen.
Die Frage der Taufe: Warum wurde der Schächer gerettet?
Eine der zentralen theologischen Fragen im Zusammenhang mit dem heiligen Dismas ist die Frage der Taufe. Nach der katholischen Lehre ist die Taufe das Sakrament, das den Menschen von der Erbsünde reinigt und ihn in die Gemeinschaft der Kirche aufnimmt. Wie also konnte der heilige Dismas gerettet werden, obwohl er offenbar nicht getauft war?
Hier müssen wir das Konzept der „Begierdetaufe“ (baptismus flaminis) betrachten. Diese Lehre besagt, dass in außergewöhnlichen Umständen, in denen die physische Taufe nicht möglich ist, der aufrichtige Wunsch nach der Taufe sowie der Glaube und die Reue ausreichend sein können, um die Gnaden der Taufe zu erlangen. Beim heiligen Dismas kann man davon ausgehen, dass er sich hätte taufen lassen, wenn er von der Taufe gewusst hätte. Zudem ist Gott nicht von seinen Sakramenten abhängig. Der heilige Thomas von Aquin erörtert dies in seiner Summa Theologica und erklärt, dass es möglich ist, durch den Wunsch der Taufe die Rechtfertigung zu erlangen:
„Es gibt die Taufe des Verlangens, durch die ein Mensch gerechtfertigt wird, wenn er eine aufrichtige Reue hat, vereint mit dem Wunsch nach der Taufe.“
(Summa Theologica III, q. 68, a. 2)
Zeugnisse der Heiligen über den heiligen Dismas
Zahlreiche Kirchenväter und Heilige haben über das tiefe Mysterium der Umkehr des heiligen Dismas meditiert und dabei seine Bedeutung für uns alle hervorgehoben.
Der heilige Johannes Chrysostomos hebt die Barmherzigkeit Gottes in diesem Ereignis hervor:
„Er (Dismas) sah das Kreuz und erkannte den König; er sah den leidenden Christus und bekannte ihn als Gott. Oh, wie wunderbar ist die Macht des Glaubens!“
(Homiliae in Joannem 31,2)
Diese Worte betonen, dass der heilige Dismas durch seinen tiefen Glauben an Jesus als König des Himmels die Früchte der Erlösung erlangen konnte. Obwohl er ein Verbrecher war, reichte ein Moment echter Reue aus, um ihm die Tore des Paradieses zu öffnen.
Der Heilige Dismas: Ein Beispiel für uns alle
Die Geschichte des heiligen Dismas ruft uns dazu auf, niemals an der Macht der göttlichen Barmherzigkeit zu zweifeln. In einer Welt, die oft von der Furcht vor göttlichem Gericht geprägt ist, zeigt uns Dismas, dass Gott selbst im letzten Moment bereit ist, den reuigen Sünder zu umarmen. Der heilige Alphons Maria von Liguori ermahnt uns:
„Gott wird die Seele nicht verlassen, die in ihren letzten Augenblicken auf seine Barmherzigkeit vertraut. Wer auf seine Gnade hofft, wird nicht enttäuscht werden.“ (Theologie der göttlichen Liebe, Kap. 5)
Diese Ermutigung sollten wir alle im Herzen tragen. Niemand ist jemals zu weit von der göttlichen Gnade entfernt, solange er die Demut besitzt, seine Sünden zu bereuen und auf Christus zu vertrauen.
Fakten und Gnadenvorzüge
1. Erste Heiligsprechung durch Christus: Dismas ist der erste Heilige in der Geschichte der Kirche, heiliggesprochen von Christus selbst am Kreuz.
2. Vergebung der Sünden: Christus vergibt ihm vollständig seine Sünden, was durch die Verheißung des Paradieses („Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“, Lk 23,43) bestätigt wird.
3. Vorbild der Liebesreue: Dismas zeigt auf beeindruckende Weise Liebesreue, indem er sich von seinem sündhaften Leben abwendet, seine Sünden öffentlich bekennt und Christus seine ganze Liebe schenkt.
4. Beweis der Kraft des Blutes Christi: Er ist ein lebendiges Zeugnis für die Kraft des Blutes Christi und die Barmherzigkeit Gottes. In nur drei Stunden wird aus einem Mörder ein Heiliger, verwandelt durch Christi Tod am Kreuz.
5. Vorbild der Buße: Dismas nimmt die Schmerzen der Kreuzigung und seine Todesqualen an und erkennt öffentlich seine Schuld („Wir empfangen, was unsere Taten verdienen“, Lk 23,41). Zudem versucht er, seinen Mitgekreuzigten zu Christus zu bekehren.
6. Mutiger Bekenner: Er verteidigt Christus am Kreuz, weist die Lästerer zurecht und bekennt laut die Unschuld Jesu. Voll Hoffnung und Glauben bittet er Christus um Aufnahme in sein Reich („Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“, Lk 23,42).
7. Teilnahme am Kreuzesopfer: Dismas hat die Gnade, am Sühnopfer Christi auf Golgotha teilzunehmen. Seine Bekehrung und Begnadigung sind eine direkte Frucht dieses Opfers.
8. Lehrmeister des Gebets: Durch seine innige, vertrauensvolle Bitte an Christus wird Dismas ein Vorbild für das Gebet und ein Verkünder des Glaubens. Sein Gebet dringt bis zum Herzen Jesu.
9. Trost für Christus und Maria: Während Christus verhöhnt wird, erfährt Dismas durch die Verdienste Christi und die Fürbitte Mariens Gnade. Er findet durch Christus den Weg zum Vater und tröstet damit auch das leidende Herz Jesu und seiner Mutter.
Patronate des heiligen Dismas
Der heilige Dismas ist der Patron der zum Tode Verurteilten, der armen Sünder, für eine gute Beichte, für einen guten Tod, der Fuhrleute, sowie Hauspatron für Besitztum.
Zudem gilt er als Patron gegen Gewalttaten, Raub, Überfälle, Verleumdung, Verzweiflung und als Beschützer vor Verführung.
Gebet zum Heiligen Dismas
Gebet für die Bekehrung der Sünder
Allmächtiger, ewiger Gott, der Du die Sünder rechtfertigst, wir bitten Dich demütig, Du wollest mit dem milden Blick. durch den Dein Eingeborner den guten Schächer an sich zog, uns zu wahrer Buße rufen und jene ewige Glorie uns mitteilen, die er demselben verheißen hat. Amen.
Gebet um Geduld im Leiden
Heiliger Dismas, der du auf dem Kalvarienberg auf der rechten Seite Jesu deine Verbrechen am Kreuz gesühnt hast, ich bitte dich, erlange mir, daß ich alle Leiden mit Geduld aus Liebe zu Gott trage, vor meinem Tod meine vielen und schweren Sünden abbüße und am Jüngsten Tag unter die Zahl der Auserwählten gestellt werde. Amen.
Heiliger Dismas, bitte für uns!
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Literaturhinweis:
Sankt Dismas – Der gute Schächer.
Erhältlich beim Sarto Verlag.