Die Frage nach der Authentizität und Überlieferung des Korans ist ein komplexes Thema, das oft im Kontext des Vergleichs zur Bibel betrachtet wird. Aus historischer und wissenschaftlicher Sicht gibt es mehrere Aspekte, die aufzeigen, warum die Überlieferung des Korans und die Möglichkeit von Fälschungen anders zu bewerten sind. Dies hängt mit historischen, textkritischen und kulturellen Faktoren zusammen. Hier sind die wesentlichen Punkte:
Monopol auf die Textüberlieferung
Im Gegensatz zur Bibel, die von vielen unabhängigen Schreibern und in unterschiedlichen kulturellen Kontexten niedergeschrieben wurde, war die Überlieferung des Korans von Anfang an zentralisiert. Der dritte Kalif, Uthman ibn Affan, ließ um 650 n. Chr. alle vorhandenen Koran-Versionen einsammeln und zerstören, um eine einheitliche Version zu etablieren. Die Historiker sind sich einig, dass dieser Prozess spätere Textkritik erschwert, da alternative Versionen systematisch eliminiert wurden.
Fehlende Vielfalt der Manuskripte
Während die Bibel in Tausenden von Manuskripten und verschiedenen Sprachen überliefert wurde, gibt es für den Koran eine vergleichsweise geringe Vielfalt an frühen Manuskripten. Die frühesten erhaltenen Koran-Texte, wie die von Sanaa (Jemen), zeigen Variationen in Schreibweise und Inhalt, was Fragen nach der Texttreue und frühen Änderungen aufwirft.
Mündliche Überlieferung und ihre Risiken
Der Koran wurde ursprünglich mündlich überliefert, bevor er schriftlich festgehalten wurde. Historisch gesehen birgt die mündliche Überlieferung das Risiko von Veränderungen, Auslassungen und Interpretationen, insbesondere bei einem so langen und komplexen Text. Einige Überlieferungen im Islam deuten darauf hin, dass bestimmte Verse verloren gingen oder unterschiedliche Lesarten existierten, bevor der Text unter Uthman standardisiert wurde.
Fehlende zeitliche Nähe der Manuskripte
Die ältesten Manuskripte des Korans stammen aus der Zeit nach dem Tod Mohammeds, etwa 50–100 Jahre später. Es gibt keine erhaltenen Manuskripte, die direkt aus der Lebenszeit Mohammeds stammen. Dies steht im Gegensatz zu den Evangelien, deren Manuskripte auf die Generation von Augenzeugen zurückgehen.
Abhängigkeit von der islamischen Tradition
Die Informationen über die Entstehung des Korans stammen fast ausschließlich aus islamischen Quellen, die erst Jahrhunderte nach den Ereignissen zusammengestellt wurden. Historiker sehen dies kritisch, da keine unabhängigen zeitgenössischen Berichte über die Entstehung des Korans existieren, die diese Überlieferungen bestätigen könnten.
Unterschiedliche Lesarten (Qira’at)
Im Islam gibt es anerkannte Varianten (Qira’at) des Korans, die sich in der Aussprache und teilweise im Wortlaut und literarischem Sinn unterscheiden. Obwohl die Unterschiede meist klein sind, zeigen sie, dass der Text nicht vollständig einheitlich ist. Dies widerspricht dem häufig vorgebrachten Argument, der Koran sei bis ins kleinste Detail unverändert überliefert.
Historische Fragen zur Authentizität
Einige historische Berichte, darunter Hadithe (Überlieferungen über Mohammed), erwähnen, dass Verse des Korans verloren gingen oder dass bestimmte Verse ursprünglich enthalten waren, aber später weggelassen wurden. Beispiele dafür sind der sogenannte „Vers der Steinigung“ oder die „Satanischen Verse“, die laut einigen islamischen Quellen einst Teil des Korans gewesen sein sollen.
Mangel an unabhängiger Bestätigung
Im Gegensatz zur Bibel, deren Berichte durch zahlreiche externe Quellen, wie römische, jüdische und archäologische Aufzeichnungen, bestätigt werden, gibt es kaum unabhängige historische Bestätigungen für die Inhalte des Korans aus nicht-islamischen Quellen aus der Entstehungszeit.
Unterschiede in der Textüberlieferung
Historische und wissenschaftliche Analysen zeigen, dass die Überlieferungsgeschichte des Korans stark zentralisiert und kontrolliert war. Diese Faktoren unterscheiden ihn grundlegend von der Bibel, deren Vielfalt an Manuskripten, Sprachen und unabhängigen Überlieferern die Möglichkeit von Fälschungen ausschließt. Die standardisierte und politisch gesteuerte Fixierung des Koran-Textes unter Uthman macht eine detaillierte Überprüfung der ursprünglichen Versionen nicht möglich. Aus wissenschaftlicher Sicht bietet der Koran daher nicht die gleiche Transparenz und historische Nachprüfbarkeit wie die Bibel.