‚Herr, lass mein Verhalten so sein, dass es dir Ehre gebe und viele Seelen zu deiner Liebe ziehe.‘
Neben Gebet und Opfer ist eine andere machtvolle, allen erreichbare Waffe des Apostolates ein gutes Leben, ein heiliges Leben. Es können nicht alle predigen; nicht alle haben die Pflicht zu ermahnen oder zu unterweisen; nicht alle können sich apostolischen Aufgaben widmen; doch es gibt niemanden, der nicht am geistlichen Wohl des Nächsten mitarbeiten kann durch das Beispiel eines untadeligen christlichen Lebens, das den Grundsätzen seines Glaubens und den eigenen Pflichten getreu ist. Der hl. Johannes Chrysostomus sagt:
„Jeder kann dem Nächsten dadurch helfen, dass er seine Pflicht tut. Es gäbe keinen Heiden mehr, wenn die Christen wirklich Christen wären, wenn sie wirklich die Gebote beobachteten. Das gute Leben ist eine Stimme, durchdringender und kraftvoller als eine Trompete.“
Ein gutes Leben wirkt aus sich selbst, es übt eine Autorität aus und zieht mehr an als das Wort.
Wenn eine Seele die Wahrheit, wenn sie die Tugend sucht, so wird es ihr nicht schwer sein, Bücher oder Lehrer zu finden, die ihr, in anziehender Form, davon sprechen; viel schwieriger aber wird es sein, Menschen zu finden, deren Leben praktisch davon Zeugnis gibt. Der moderne Geist dürstet nach Erfahrung und hat besonders Bedürfnis nach solchen Beispielen, die ihm nicht nur schöne Theorien geistlichen Lebens darbieten können, sondern vor allem konkrete Verkörperung der Tugend, des Ideals der Heiligkeit, der Gottvereinigung darstellen. Der gelebte Gedanke, das in die Wirklichkeit des Lebens übertragene Ideal zieht die Seelen weit mehr an als der bloß theoretische Gedanke. Im übrigen ist dies die große Linie, die Gott selbst eingehalten hat, um sich den Menschen zu offenbaren: das ewige Wort ist Fleisch geworden, und durch die so konkrete und und so menschliche Wirklichkeit seines Erdenlebens hat er uns Gottes unendliche Liebe zu uns und seine unendlichen Vollkommenheiten gezeigt. Jesus, der die göttliche Vollkommenheit besaß, konnte uns sagen: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matth. 5, 48). Und indem er so sprach, hat er uns das höchste Ideal der Heiligkeit nicht nur gezeigt, sondern uns auch in sich selber das Vorbild dazu gegeben. Der Apostel muss auf dem Wege Jesu wandeln und das Ideal der Heiligkeit, das er den andern vorstellen will, in seinem Leben lebendig werden lassen. Nur so kann man von ihm, wie vom Herrn sagen: „Coepit facere et docere“ (Apg. 1, 1), er begann zuerst zu tun und dann zu lehren. Und nur so darf der Apostel, mehr durch sein Verhalten als durch Worte, den kühnen paulinischen Satz wiederholen:
„Seid meine Nachahmer, so wie ich Christus nachahme“ (1 Kor. 4, 16).
Quelle: Geheimnis der Gottesfreundschaft





