Der erste Vers der Heiligen Schrift, „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1), eröffnet nicht nur das Buch Genesis, sondern auch das gesamte Gebäude der göttlichen Offenbarung. Das hebräische Anfangswort בְּרֵאשִׁית (Bereschit) – „Im Anfang“ – ist dabei nicht lediglich ein zeitlicher Marker, sondern ein Schlüsselbegriff mit tiefer theologischer Bedeutung. Aus katholischer Sicht verweist dieses Wort auf den ewigen Ursprung aller Schöpfung im Sohn Gottes, dem Logos, durch den und auf den hin alles geschaffen ist. Im Folgenden wird „Bereschit“ aus christologischer Perspektive gedeutet, einschließlich einer symbolischen Analyse seiner einzelnen Buchstaben im Lichte katholischer Theologie.
Der Anfang als Person – im Licht des Johannesprologs
Das Johannesevangelium beginnt mit denselben Worten wie die Genesis: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh 1,1). Johannes greift bewusst auf Genesis 1,1 zurück, um die Identität Christi als ewiges Wort Gottes (Logos) zu offenbaren. Während „Bereschit“ in Genesis auf den Ursprung der geschaffenen Welt zielt, offenbart Johannes, dass dieser Ursprung nicht abstrakt, sondern personal ist: Christus selbst ist der Anfang. Der Katechismus der Katholischen Kirche bekräftigt diese Sicht: „Der Glaube an die Schöpfung hat eine christologische Dimension. Christus ist das schöpferische Wort, das ‚im Anfang bei Gott‘ war.“ So ist das „Bereschit“ nicht nur Beginn der Zeit, sondern ewiger Anfang in Gott, durch den die sichtbare und unsichtbare Welt ins Dasein gerufen wurde.
Die faszinierende Symbolik der einzelnen Buchstaben von „Bereschit“
Im hebräischen Denken tragen Buchstaben nicht nur Laut- und Zahlenwerte (Gematria), sondern auch bildhafte und theologische Bedeutung. Aus christlicher Sicht lassen sich die sechs Buchstaben von בְּרֵאשִׁית auf Christus als den Ursprung der Schöpfung und des Heils beziehen:
ב (Bet) – Haus
Bedeutung: Haus, Wohnung
Christologische Deutung:
Das erste Wort der Heiligen Schrift beginnt mit Bet – „Haus“ – was auf die Menschwerdung verweist: Christus ist das wahre Haus Gottes unter den Menschen (vgl. Joh 1,14: „…und er wohnte unter uns“). Die Schöpfung beginnt mit dem Bau eines „Hauses“, in dem Gott bei den Menschen wohnen wird. Bet verweist damit auf die Inkarnation als Erfüllung des göttlichen Heilsplans.
ר (Resch) – Haupt
Bedeutung: Haupt, Anführer
Christologische Deutung:
Christus ist das Haupt der Kirche (Kol 1,18) und der Erstgeborene aller Schöpfung (Kol 1,15). Als „Resch“ ist er Ursprung und Leitung des neuen Bundesvolkes. Er ist das Haupt der neuen Menschheit, wie Adam das Haupt der alten war (vgl. Röm 5,14).
א (Alef) – Eins
Bedeutung: Einheit, göttliche Quelle
Christologische Deutung:
Alef symbolisiert die Einheit Gottes, auf die Christus hinweist: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Als der Erste (vgl. Offb 22,13: „Ich bin das Alpha und das Omega“) ist Christus das Alef des göttlichen Alphabets. Er ist der Ursprung des Seins, das „Eine“ in dreifaltiger Gemeinschaft.
ש (Schin) – Feuer, Gegenwart Gottes
Bedeutung: Zahn (bildlich: Feuer), auch Symbol für Gottesgeist
Christologische Deutung:
Das Schin steht für die göttliche Gegenwart (Shechina) und ist oft Zeichen des Heiligen Geistes. Es verweist auf das Pfingstfeuer, durch das Christus seine Kirche mit Leben erfüllt. Schin deutet damit auf das Wirken des Geistes in der neuen Schöpfung.
י (Jod) – Hand, Ursprung
Bedeutung: Hand, kleiner Anfang
Christologische Deutung:
Jod ist der kleinste Buchstabe, doch zugleich Ursprung aller Formen im hebräischen Alphabet. Es verweist auf die Demut Christi, der sich erniedrigt hat (Phil 2,6–8), sowie auf das verborgene Wirken Gottes. Durch das kleine Jod kommt die göttliche Kraft im Verborgenen zur Wirkung – wie in Maria, der neuen Eva.
ת (Taw) – Zeichen, Ziel, Kreuz
Bedeutung: Zeichen, Ziel
Christologische Deutung:
Taw ist der letzte Buchstabe des Alphabets und steht für Vollendung. In frühhebräischer Schrift hat Taw die Form eines Kreuzes (𐤕). In Christus, der am Kreuz stirbt, wird die Schöpfung vollendet. Das Taw ist das Siegel der Erlösten (vgl. Ez 9,4) – das Zeichen des Kreuzes.
Das Wort „Bereschit“ markiert nicht nur den Anfang der sichtbaren Welt, sondern verweist auf zwei Anfänge:
Den kosmischen Anfang: Gott schafft Himmel und Erde durch sein Wort.
Den heilsgeschichtlichen Anfang: In Christus wird die Menschheit neu erschaffen (vgl. 2 Kor 5,17).
So steht „Bereschit“ im Mittelpunkt der Heilsgeschichte, in der Christus als „neuer Adam“ (Röm 5,14) die gefallene Schöpfung erneuert.
In der Taufe erfährt der Mensch einen neuen „Anfang“ – ein personalisiertes „Bereschit“ durch die Wiedergeburt in Christus.
In der sakramentalen Wirklichkeit wird das Wort „Bereschit“ aktualisiert – durch Christus, der das „Alpha und das Omega“ (Offb 22,13) ist.
Das erste Wort der Bibel und seine christologische Bedeutung
Das hebräische Wort בְּרֵאשִׁית (Bereschit) trägt bereits in sich das Mysterium Christi. Aus katholischer Sicht ist der „Anfang“ kein bloßer chronologischer Zeitpunkt, sondern eine Person: Jesus Christus, der ewige Sohn des Vaters. Durch die symbolische Deutung der einzelnen Buchstaben wird erkennbar, dass bereits im ersten Wort der Bibel der ganze Heilsplan Gottes vorgebildet ist – von der Schöpfung über die Inkarnation bis zur Vollendung am Kreuz.