Die gewaltigen Tore der Basilika öffnen sich mit einem metallischen Grollen. Goldene Strahlen der untergehenden Sonne brechen durch Buntglasfenster und tanzen auf Säulen aus Alabaster. Weihrauch zieht wie Nebel durch das Kirchenschiff – schwer, heilig, unausweichlich.
Heiliger Vater, das Leben ist vergänglich
Der neue Papst sitzt auf dem Thron der Welt, hoch erhoben über das Volk, ein Mensch in göttlicher Robe. Seine Hände ruhen auf Löwenköpfen aus Gold. Seine Brust ist mit Rubinen geschmückt, die Krone auf seinem Haupt gleicht einer Himmelsburg: die dreifache Tiara, Symbol der Macht über Himmel, Erde und Fegefeuer.
Tausende Stimmen singen. Fanfaren dröhnen. Kardinäle senken ihre Häupter. Alles ist Licht, Pracht, Triumph.
Doch dann: Stille.
Aus den Schatten tritt ein alter Mönch. Seine Kutte ist vom Alter grau, seine Schritte langsam, aber bestimmt. In seinen knochigen Händen hält er eine brennende Fackel aus Flachs – klein, doch hell. Die Flamme zittert, als wüsste sie um ihre kurze Lebenszeit.
Er nähert sich dem Papst, ohne zu beugen, ohne zu reden.
Dann spricht er – tief, ruhig, wie eine Stimme aus der Ewigkeit:
“Sic transit gloria mundi.” (So vergeht der Ruhm der Welt.)
Die Worte hallen durch die Halle wie ein Donnerschlag.
Er spricht sie noch zweimal. Bei jedem Mal stirbt ein Teil der Flamme. Sie zischt, sie flackert, sie stirbt – wie alles Irdische.
Der Rauch steigt empor, schlingt sich um die Tiara wie ein dunkler Schleier. Für einen Wimpernschlag senkt der Papst den Blick. Die Krone wiegt schwerer. Der Thron wirkt leerer.
Inmitten von Gold und Glanz liegt nun die Wahrheit wie ein Schatten:
Alles vergeht.
Auch DU.
Erklärung:
„Sic transit gloria mundi“ („So vergeht der Ruhm der Welt“) war ein feierlicher Ritus bei der Inthronisation eines neuen Papstes. Während der Prozession in den Petersdom trat ein päpstlicher Zeremoniar mit einem brennenden Stück Flachs vor den Papst und sprach dreimal:
„Sancte Pater, sic transit gloria mundi.“
Der schnell verglühende Flachs galt als Vergänglichkeit irdischer Ehre – ein „Memento mori“ für den Heiligen Vater. Dieser Ritus erinnerte den Papst daran, dass selbst die höchste weltliche Würde dem Tod unterliegt. Die Zeremonie wurde letztmals bei der Inthronisation von Paul VI. im Jahr 1963 durchgeführt.