Die Frage nach der Unfehlbarkeit von Heiligsprechungen ist nicht nur theologisch delikat, sondern auch aktuell, da seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Vielzahl neuer “Heiliger” kanonisiert wurden – teils in atemberaubender Geschwindigkeit, oft mit fragwürdiger Vergangenheit und unter stark verändertem Verfahren. Doch wie verhält es sich eigentlich mit der Unfehlbarkeit dieser Akte? Ist jeder Heilige, den Rom ausspricht, auch mit göttlicher Gewissheit im Himmel und ein makelloses Vorbild? Oder dürfen Katholiken hier mit gutem Grund kritisch bleiben?
Der klassische Dreischritt der Kanonisation
Traditionell besteht ein Kanonisationsakt aus drei Elementen:
1. Der Papst erklärt, dass die betreffende Person in der himmlischen Herrlichkeit ist.
2. Er stellt deren heroische Tugenden als vorbildhaft für die ganze Kirche dar.
3. Er verpflichtet die Kirche zur öffentlichen Verehrung dieses Menschen.
Das ist keine bloße Empfehlung, sondern ein bindender liturgischer und lehrmäßiger Akt. Doch daraus allein ergibt sich noch keine definitive Unfehlbarkeit.
Die theologischen Grundlagen
Die klassische Position der Theologen des Mittelalters, darunter Thomas von Aquin, Suarez, Bellarmin und viele andere, ist: Heiligsprechungen sind unfehlbar, aber selbst Thomas von Aquin spricht von einer piae credibilitas, also einem frommen Glauben, nicht von einer dogmatisch definierten Wahrheit. Die katholische Enzyklopädie (so berichtet selbst “Catholic Answers”) sagt deutlich: Die Mehrheit der Theologen hält die Unfehlbarkeit von Heiligsprechungen für wahrscheinlich, aber nicht als de fide.
Mit anderen Worten: Wer daran zweifelt, ist kein Häretiker.
Wichtig ist hier die Unterscheidung: Es geht nicht um einen grundsätzlichen Zweifel an den klassischen Heiligsprechungen der vorkonziliaren Zeit. Diese beruhen auf hochpräzisen Verfahren mit langjährigen Prozessen, dem Einsatz eines Advocatus Diaboli, eingehender Prüfung von Wundern und heroischen Tugenden. Was in Frage steht, ist vielmehr der Wandel nach dem Konzil, sowohl in der Methode als auch in der Quantität.
Früher war die Heiligsprechung ein langwieriger Prozess. Heute gibt es Heiligsprechungen ohne ausführlichen Prozess – einfach durch päpstliches Dekret. Und vor allem: Die Definition dessen, was einen Heiligen ausmacht, hat sich verschoben. Heute reicht oft die “symbolische Wirkung” oder Popularität aus, um als Heiliger durchzugehen.
Wenn sich aber die Definition des Aktes ändert, ändert sich auch dessen Qualität. Infallibilität setzt voraus, dass der Akt klar definiert und eng mit einer Glaubenswahrheit verbunden ist. Wenn diese Klarheit fehlt, kann auch keine Unfehlbarkeit vorliegen. Das ist die Argumentation von P. Gleize, die tief in der scholastischen Logik verwurzelt ist.
Heiligsprechung ist keine dogmatische Tatsache
Roberto de Mattei sagt dazu folgendes:
“Das Urteil über die Heiligsprechung ist an sich nicht unfehlbar, da ihm die Bedingungen für Unfehlbarkeit fehlen. Dies beginnt damit, dass die Heiligsprechung nicht direkt oder ausdrücklich eine in der Offenbarung enthaltene Glaubens- oder Moralwahrheit zum Ziel hat, sondern nur eine Tatsache, die indirekt mit dem Dogma verbunden ist, ohne im eigentlichen Sinne eine ‚dogmatische Tatsache‘ zu sein.”
Ein Urteil über den heiligmäßigen Lebenswandel einer Person mag zutreffen, doch es bleibt in seiner Natur spekulativ und beruht auf menschlichem Zeugnis. Genau hier liegt die Grenze zur Unfehlbarkeit – und sie wird durch die methodischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte noch deutlicher.
Ein aufschlussreiches Beispiel ist die Heilige Hildegard von Bingen. Obwohl sie über Jahrhunderte verehrt wurde, erfolgte keine formelle Heiligsprechung.
Weiter schildert Er:
“Der Papst kann nur das explizit machen, was in Glaube und Moral implizit enthalten ist und von der Tradition der Kirche überliefert wird. Was die Päpste definieren, muss in der Heiligen Schrift und der Tradition enthalten sein, und dies gewährleistet die Unfehlbarkeit des Handelns.”
Diese Überzeugung stützt die wahre Unfehlbarkeit der Kirche: Nicht jeder päpstliche Akt ist unfehlbar, sondern nur jener, der sich im klaren Licht der Offenbarung und der immer geglaubten Überlieferung bewegt. Sobald ein Akt sich davon löst – etwa durch politische oder zeitgeistige Motive – verliert er diese Sicherheit.
De Mattei verweist auch auf den gefährlichen Wandel in der Kanonisierungspraxis, insbesondere seit Johannes Paul II., der allein über 480 Heilige aussprach, sowie unter seinem Pontifakt über 1300 Seligsprechungen erfolgten. Viele dieser Fälle wurden beschleunigt, einige umstritten. Der Historiker sieht hierin nicht einen Ausdruck lebendiger Heiligkeit, sondern eine “Inflation des Sakralen”, die die Bedeutung echter Heiligkeit verwässert.
Die Position der Konzils-Theologen
Auch Theologen des modernen Rom wie P. Daniel Ols OP oder Msgr. Bruno Gherardini argumentieren, dass die Heiligsprechungen nicht notwendigerweise unfehlbar sind. Sie vertreten die Meinung, dass selbst ein Irrtum keine Gefahr für den Glauben darstelle, solange die Verehrung nicht ausdrücklich Häresie oder Unmoral fördern würde. Im schlimmsten Fall wäre der Gläubige einfach “gutgläubig fehlgeleitet, aber ohne Sünde.”
Diese Position macht deutlich: Die Kirche verliert nicht ihre Unfehlbarkeit, wenn ein Akt wie eine Heiligsprechung unter veränderten Bedingungen nicht mehr dasselbe Gewicht besitzt. Vielmehr beweist sie ihre Treue zur Wahrheit gerade darin, dass solche Dinge diskutierbar bleiben.
Also: Darf man zweifeln?
Vorsichtig gesagt, man darf. Und zwar ohne schlechtes Gewissen. Niemand kann einem Gläubigen Sünde, Irrlehre oder Hochmut vorwerfen, wenn er beispielsweise die Heiligsprechung Pauls VI. oder Johannes Pauls II. kritisch sieht. Wer behauptet, dies sei ein Akt gegen den Glauben oder gar eine Todsünde, stellt eine private Meinung über das kirchliche Lehramt.
Solange die Kirche diese Frage nicht definitiv dogmatisch entschieden hat, steht es Männern guten Willens frei, sie zu diskutieren.
2 Antworten
Sehr geehrte Herren
Was ihr vom Christkönig für Arbeit leistet ist sehr großartig. Ich komme ursprünglich aus der CH bin in in Österreich verheiratet. Wäre es möglich in Zaizkofen bei der Priester Weihe ein Stand zu machen um so euch vorzustellen? Ich bin seit Geburt bei der Fsspx. Ich war als Jugendlicher gegen die Abteibung und bei vielen Demos dabei. Da ich ein Familienvater bin hab im Moment weniger Zeit. Ich bin sehr froh um eure Beiträge und Videos. Mein Vater war füher beim Mäder Sekretariat und hat dort gearbeitet er hat auch Vorträge über Prälat Mäder Gehalten .Fals ihr Interesse habt schreibt ihr einfach.
Liebe Grüße Josef Fischlin