Besonders in Fragen der Ehe- und Sexualmoral gibt es in der katholischen Kirche keine Grauzonen, keine dialektischen Spiele, keine faulen Kompromisse – es gibt Antworten, wie etwa in der Enzyklika Humanae vitae durch Papst Paul VI. (1968), die ihrerseits auf der immer gültigen Lehre Pius’ XI. in Casti connubii (1930) gründet.
Wie stehen die Orthodoxen zur Verhütung?
Ganz anders das Bild in der „Ostkirche“. Die Orthodoxen – obgleich in Liturgie und Ästhetik häufig anziehend für traditionssuchende Katholiken – offenbaren in Fragen der Moraltheologie eine eklatante Schwäche: Sie besitzen keine lehramtliche Einheit, keine dogmatische Klarheit und keine bindende Entscheidungskraft. Das zeigt sich exemplarisch in der Frage der Empfängnisverhütung. Fragt man nach der Haltung der orthodoxen “Kirchen” zu Verhütungsmitteln wie Pille und Kondom, so stößt man auf ein babylonisches Sprachgewirr:
Die griechisch-orthodoxe “Kirche” lässt nicht-abtreibende Verhütungsmittel in der Ehe unter Umständen zu – selbst die Pille, insofern es sich nicht um die „Pille danach“ handelt und sie nicht abtreibend wirkt. Hier gibt es jedoch ein großes Verständnisproblem: Die Pille, die grundsätzlich die Befruchtung verhindern soll, kann aber in einigen Fällen auch abtreibend wirken. Dazu empfiehlt sich das kleine Büchlein „Keuschheit – Hilfen zur Gewissensbildung im 6. Gebot“ von Pater Ramm zu lesen. Unser neues Video (Youtube – Klick) berichtet ebenfalls über diese Problematik.
Die russisch-orthodoxe “Kirche” erlaubt sie ebenfalls – aber nur nach Konsultation des Beichtvaters. Andere “Ostkirchen” wiederum zeigen sich restriktiver, betonen aber, dass letztlich jedes Paar mit seinem Gewissen und geistlichen Vater eine Entscheidung treffen solle. Einheit? Fehlanzeige.
Das ökumenische Patriarchat von Konstantinopel (griechisch-orthodox) hat in seiner Sozialerklärung ausdrücklich künstliche Mittel zur Geburtenregelung – darunter auch Kondome – zugelassen, solange keine befruchteten Eizellen vernichtet werden.
Was in der katholischen Kirche eine klare Sünde ist – nämlich jede absichtliche Verhinderung des ehelichen Aktes als Quelle neuen Lebens –, wird in der Orthodoxie zur Gewissensentscheidung herabgestuft. Man wählt den „mittleren Weg“, nicht selten unter Berufung auf ökonomische oder psychologische Gründe. Der moralische Absolutismus des Evangeliums wird aufgeweicht zugunsten pastoraler Opportunität.
— Matt Fradd (@RealMattFradd) May 20, 2024
Um fair zu bleiben:
In der theologischen Literatur und kirchlichen Praxis wird von einigen Beichtvätern und Theologen argumentiert, dass Kondome die natürliche Offenheit für das Leben behindern und daher nicht dem Ideal der Ehe entsprechen. Dennoch gibt es keine einheitliche, offizielle Ablehnung durch alle orthodoxen Kirchen oder führende Theologen. Die Ablehnung ist vor allem in konservativen Milieus und bei einzelnen Geistlichen zu finden, während andere Theologen und Beichtväter die Verwendung unter bestimmten Bedingungen zulassen.
Die Ursache: Der Verlust des Primats und das Schisma
Diese moraltheologische Beliebigkeit ist kein Zufall. Sie ist direkte Folge der Ablehnung des Primats Petri. Ohne das unfehlbare, bindende Lehramt der Kirche verkommt die Lehre zur Meinung, die Moral zur Gewissensfrage und das Dogma zur Auslegung. Die Orthodoxie kennt keine Humanae vitae, kein Casti connubii, kein verbindliches „non liceto“, sondern lediglich fromme Appelle und regionale Traditionen.
Hier offenbart sich die tiefere Tragik der Orthodoxie: Man bewahrt die Rinde der Tradition – Ikonen, Weihrauch u. v. m. – doch das Zentrum, das Herz, die Stimme des Petrus fehlt. So bleibt man in der Morallehre dem Zeitgeist ausgeliefert oder dem Gewissen des Einzelnen, das – ohne klare Lehre – oft genug in die Irre geht.
Eine Antwort
Sehr gut. Und sehr wahr. Ich war geschockt, als ich vor einiger Zeit erfuhr, dass die Orthodoxen seit 1054 kein Konzil hatten, um Fragen des Glaubens zu besprechen und zu beantworten. Sprich: Die Theologie ist circa 1000 Jahre alt. Neue Fragen und Herausforderungen werden heterodox beantwortet. Alles zerfleddert. Die Liturgie ist 1000 Jahre alt. Alles andere auch. Glaube nicht, dass Christus uns dafür eine Kirche gegeben hat.