Heiligkeit und Gottes Wille

„Nicht wer sagt ‚Herr, Herr‘, wird ins Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der wird ins Himmelreich eingehen“ (Matth. 7, 21).

Der Weg, der zur Heiligkeit und damit zu Gott führt, kann nur von Gott selbst vorgezeichnet sein, von seinem Willen. Um heilig zu werden, muss unsere Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes wirklich vollständig sein, so dass in der Seele keinerlei Zwiespalt gegenüber dem Willen Gottes bestehen bleibt und dass sie in all ihrem Tun nur von diesem Willen bewegt wird.

„Der Zustand der Vereinigung mit Gott besteht im Wesen der Seele, insofern ihr Wille ganz in den göttlichen umgewandelt ist, so zwar, dass in ihr nichts mehr dem Willen Gottes widerstrebt, sondern dass sie in allem und zu allem einzig nur durch den Willen Gottes bewegt wird“ (hl. Joh. v. Kreuz).

Antrieb zu all unserem Tun ist die Liebe; es kann die Eigenliebe, die Liebe zu den Geschöpfen oder die Liebe zu Gott sein. Solange die Seele irgendetwas dem Willen Gottes Entgegengesetztes sowie irgendeine ungeordnete Anhänglichkeit an das eigene Ich oder an die Geschöpfe in sich bewahrt, wird sie oftmals nicht aus dem Antrieb der Gottesliebe, sondern aus dem Verlangen nach eigener Befriedigung oder aus ungeordneter Liebe zu den Geschöpfen handeln. Und so wandelt sie außerhalb des Willens Gottes. Nicht nur die Sünde, sondern auch die kleinste Unvollkommenheit oder freiwillige Anhänglichkeit ist dem Willen Gottes entgegen und hindert die Seele, einzig unter dem Antrieb des göttlichen Wollens zu handeln.

Kennt aber die Seele keinerlei Anhänglichkeit mehr, da sie, befreit von der Liebe zum Ich und den anderen Geschöpfen, nur mehr Gott anhängt, so treibt nur noch der Wille Gottes sie zum Handeln, und sie lebt von Augenblick zu Augenblick im göttlichen Wohlgefallen. Diese Seele hat ihren Willen umgestaltet, verloren in den Willen Gottes, und deshalb ist sie nun vollkommen mit Gott selbst vereint: dies ist das Wesen und der Gipfel der Heiligkeit.

Deshalb ist es Gott wohlgefälliger. Wenn ein kleines Geldstück einem Armen, um der göttlichen Majestät zu gefallen, gereicht wird, als wenn jemand aus einem anderen Beweggrund, wäre es auch der himmlischen Freude wegen (was doch eine nicht nur gute, sondern höchst lobenswerte Absicht wäre), sich aller seiner Güter, wie groß diese auch sein mögen, entäußerte.

Und um zu zeigen, dass eben jene Seelen, die den Willen Gottes tun, mit ihm am innigsten vereinigt und von ihm bevorzugt sind, zögert Jesus nicht, auszusagen:

„Wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“ (Matth. 12, 50).

Quelle: Geheimnis der Gottesfreundschaft & Der geistliche Kampf

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