Der Herr kommt von ferne
Der Herr ist am Kommen. Ich denke an ihn, um ihm entgegenzueilen mit aller Kraft meines Willens.
“Seht, der Name des Herrn kommt von ferne… Ich blicke in die Ferne, sieh, da schaue ich die Macht Gottes, die da kommt… Geht ihm entgegen und sagt ihm: ‘Lass uns wissen, ob du es bist, der herrschen soll’…” So die Tagesliturgie; und gleichsam als Antwort darauf fordert sie uns auf: “Den König, der da kommen wird, kommt, lasst uns ihn anbeten!”
Jahrhunderte und Jahrhunderte haben dieses Kommen erwartet; er wurde verkündigt von den Propheten, seufzend ersehnt von den Gerechten, die doch sein Morgenrot nicht schauen durften. Die Kirche gedenkt dieses Wartens und erneuert es in jeder Wiederkehr des Advents, sie gibt der Sehnsucht nach dem kommenden Erlöser Ausdruck. Für uns aber ist dieses uralte Seufzen, allein von der Hoffnung getragen, zu einem Seufzen des Vertrauens geworden, das sich auf die tröstliche Wirklichkeit der schon vollzogenen Erlösung stützt.
Der hl. Paulus ermahnt uns heute in der Epistel: “Brüder, es ist Zeit, vom Schlafe aufzustehen.” Advent ist der Frühling der Kirche. Wir müssen erwachen zu neuer Heiligkeit. Und schon zeigt uns der Apostel die große Frucht des Advents: “Tun wir ab die Werke der Finsternis und legen wir an die Waffen des Lichtes… Bekleidet euch mit dem Herrn Jesus Christus.” Sind unsere Seelen ein wenig schläfrig oder nachlässig geworden im Dienste des Herrn, dies ist der Augenblick, zu neuem Leben zu erwachen, hochherzig unsere Armseligkeiten und Schwächen “auszuziehen”, um uns mit “Jesus Christus zu bekleiden”, nämlich mit seiner Heiligkeit. Jesus selbst will uns dazu verhelfen. Er lockt uns durch den Gedanken an seine liebliche Ankunft als Erlöser und kommt uns entgegen mit seiner Gnade: die unendliche Barmherzigkeit neigt sich über uns.
Andererseits stellt uns die Kirche, eben im heutigen Evangelium , auch die letzte Ankunft Christi als des höchsten Richters vor Augen: “Sie werden den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit.” Kommen der Liebe zu Bethlehem, Kommen der Gnade in unserer Seele, Kommen der Gerechtigkeit am Ende der Zeiten: dreifache Ankunft Christi, Gesamtinhalt des Christentums, Aufruf zu wachem und vertrauensvollem Harren: “Straffet euch, erhebet euer Haupt; denn eure Erlösung ist nahe!”
“Gütigster Erlöser, du kommst mir entgegen mit deiner unendlichen Liebe, mit der Überfülle deiner Gnade: es sind Ströme des Erbarmens und der Liebe, mit denen du meine Seele überfluten willst, um sie an dich zu ziehen. Komm, o Herr, komm! Auch ich möchte dir in Liebe entgegeneilen; doch ach, meine Liebe ist so beschränkt, so schwach und unvollkommen: Du mach sie stark und weit! Mach mich fähig, mich selbst zu unterjochen, um mich ganz an dich auszuliefern. Ja, meine Liebe kann erstarken; denn ‘sie gründet auf der innersten Gewissheit, dass ein Gott sie erwidert. Herr, ich kann an deiner Zärtlichkeit nicht zweifeln, da du sie mir schon so vielfach bewiesen hast, eben um mich fest davon zu überzeugen. Auf dich gestützt, wird meine schwache Liebe stark an deiner Stärke. Welcher Trost, o Herr, im Augenblick des Todes denken zu dürfen, dass wir von dem gerichtet werden, den wir über alles geliebt haben. So können wir dir vertrauend gegenübertreten trotz der Last unserer Sünden’ ” (hl. Theresa von Avila).
Quelle: Geheimnis der Gottesfreundschaft





