Glaube, Hoffnung und Liebe – bilden das Fundament des christlichen Lebens. Sie sind nicht bloß menschliche Eigenschaften, die man sich antrainieren könnte, sondern übernatürliche Gaben, die Gott selbst in die Seele gießt. Durch sie wird der Mensch befähigt, über sich hinauszuwachsen, Gott zu erkennen, ihm zu vertrauen und ihn über alles zu lieben. Diese Tugenden stehen im Mittelpunkt des geistlichen Lebens, weil sie den Menschen unmittelbar mit Gott verbinden und ihm den Weg zum ewigen Heil weisen. In diesem Artikel wollen wir näher betrachten, was Glaube, Hoffnung und Liebe bedeuten und wie sie unser Leben prägen sollen.
Glaube
Der Glaube ist die Grundlage unseres übernatürlichen Lebens. Sinn und Ziel unseres Glaubens ist die Vereinigung mit Gott, der unendlichen Wahrheit. Deshalb ist auch der Glaube ein Licht zur Erleuchtung des Verstandes und läßt uns durch die Offenbarung an Gottes Gedanken teilnehmen. Zu all dem erweist sich der Glaube in allen Wechselfällen des Lebens als Quelle des Trostes und bereitet uns schließlich auf die beseligende Anschauung Gottes vor. Üben und verbreiten wir daher die Tugend des Glaubens durch Gebet und Beispiel, durch Worte und Werke, damit er auch für uns zur Quelle vieler Verdienste werde. Der Glaube muß das Licht unseres ganzen Lebens, nicht nur unserer Gebetsstunden sein. Im Gebete sagst du: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater.“ Wenige Augenblicke später, angesichts einer schwierigen Pflicht, eines lästigen Menschen, eines Umstandes, der deine Pläne durchkreuzt, vergißt du, daß all dies von Gott gewollt und gefügt ist zu deinem Besten; du vergißt, daß Gott allmächtig ist und dir daher in jeder Schwierigkeit beistehen kann. Gewiß, du glaubst an Gott, den allmächtigen Vater; doch du glaubst nicht tief genug, um seinen Willen oder, zumindest, seine Zulassung in allen Umständen zu erkennen. Und doch: solange der Glaube dein Leben nicht tief genug durchdringt, um dich alles in Beziehung zu Gott sehen zu lassen, kannst du nicht sagen, das Licht des Glaubens sei deines Lebens Führer. Betrachtest du solche Dinge vom menschlichen Gesichtspunkt aus, so fühlst du dich versucht, dich aufzulehnen, deine Rechtezu verteidigen, dich gegen eine an sich ungerechte Behandlung zu empören; erhebst du aber den Blick zu Gott, erwägst du, daß er all
dies zuläßt, um dich in der Tugend zu üben, dich zur Heiligkeit anzuspornen, so hast du die Kraft, alles in Frieden anzunehmen und gütig zu sein gegen jene, die dich leiden machen. Gedenke aber zugleich, daß der Glaube deinem Verstande ein dunkles Licht ist und daher oftmals von dir verlangen mag, an die weise und liebende Führung Gottes zu glauben, auch ohne etwas zu verstehen, ja auch wenn dir das Gegenteil wahr erscheint. Gerade darin besteht das echte Leben aus dem Glauben; und der „Gerechte lebt aus dem Glauben.“ (Röm 1, 17).
Hoffnung
Niemand freue sich wie man sich freut an einer Sache des gegenwärtigen Augenblicks, damit er nicht unterwegs festklebe; die ganze Freude möge sich auf die zukünftige Hoffnung richten, jeglicher Wunsch auf das ewige Leben. Dort wird das Glück groß und vollkommen sein, die Freude erfüllt, wo nicht mehr nur die Hoffnung Milch gibt, sondern die Wirklichkeit feste Nahrung gewährt. Dennoch auch jetzt, bevor die Wirklichkeit selbst zu uns kommt, bevor wir zu ihr selbst gelangen, laßt uns frohen Sinnes sein im Herrn. Denn keine geringe Freude hat die Hoffnung, deren Erfüllung später der Besitz sein wird. Die Hoffnung ist die Grundlage für jede fruchtbringende Tätigkeit. Sie erzeugt in uns hl. Wünsche, gibt uns das Vertrauen auf Gottes Güte und Barmherzigkeit und gewährt uns Aussicht auf Belohnung, ja auf Gewißheit des Triumphes (Röm 8, 31). Sie verleiht unserem Gebete die Wirksamkeit und zielt auf die Vereinigung mit Gott, der höchsten Seligkeit, ab; sie ist daher die Vorbereitung auf die ewige Seligkeit selbst. Die Hoffnung ist eine wirksame Stütze gegen die Schwierigkeiten des Alltags, vor allem gegen das so furchtbare Gift der Entmutigung, Verzweiflung und Vermessenheit. Üben auch wir diese göttliche Tugend, indem wir uns von den irdischen Gutem lösen und ehrlich bestrebt sind, stets ein aufrichtiges und kindliches Gottvertrauen zu haben. Die beharrliche Übung dieser Tugend bis ans Ende sei unser Ziel.
Die Liebe
Als der ewige Vater sah, daß wir alle durch die Sünde dem Tode verfallen und der Gnade beraubt waren, was tat er? In seiner grenzenlosen Liebe, ja, wie der Apostel sagt, „aus einem Übermaße von Liebe“ sandte er seinen geliebten Sohn, um für uns genugzutun und uns das Leben der Gnade wieder zu erwerben, welches wir durch die Sünde verloren hatten: „Wegen der übergroßen Liebe, mit welcher er uns liebte, hat er uns, die wir tot waren in der Sünde, mitbelebt in Christo“ (Eph 2,4). Indem Er uns aber seinen Sohn schenkte, indem Er seinen eigenen Sohn nicht verschonte, um uns zu verschonen, hat Er uns mit diesem göttlichen Sohne alle Güter gegeben: seine Gnade, seine Liebe, das Himmelreich; denn alle diese Güter, so groß sie in sich selbst sind, sind doch geringer als sein eingeborener Sohn: „Der seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat; wie sollte Er uns nicht alles mit ihm geschenkt haben?“ (Röm 8,32) Und ebenso hat sich auch der Sohn Gottes aus Liebe zu uns ganz für uns hingegeben: „Er hat uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben“ (Gal 2,20). Um uns vom ewigen Tode zu erlösen und uns die göttliche Gnade und das verlorene Paradies wieder zu erwerben, ist er Mensch geworden und hat sich mit unserem Fleisch bekleidet: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Jo 1,14). So sehen wir einen Gott, der sich selbst seiner Herrlichkeit entäußert: „Er hat sich selbst entäußert, Knechtsgestalt angenommen, und ist im Äußern wie ein Mensch erfunden worden“ (Phil 2,7). Wir sehen den Herrn der Welt, der sich so tief erniedrigt, daß er Knechtsgestalt annimmt und sich allem menschlichen Elend unterwirft. So sehr uns dies in Staunen versetzen muß, so ist es doch noch nicht das Erstaunlichste. Er konnte uns erlösen, ohne zu leiden und zu sterben; doch nein, er wählte sich ein mühevolles und verachtetes Leben, und den bittersten und schmählichsten Tod, den Tod am Kreuze, die ehrloseste Todesart, womit nur die größten Missetäter bestraft wurden: „Er erniedrigte sich selbst, ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze“ (Phil 2,8). Wenn Er uns aber erlösen konnte, ohne zu leiden, warum hat Er den Tod am Kreuze erwählen wollen? Er hat es getan, um uns die unermeßliche Liebe, die Er zu uns trug, zu beweisen: „Er hat uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben.“ Er liebte uns, und weil Er uns liebte, gab Er sich dem Schmerze hin, der Schmach und dem peinlichsten Tode, den je ein Mensch auf Erden erduldet hat. Diese Betrachtung bewog den heiligen Paulus, diesen von Liebe zu seinem göttlichen Meister glühenden Apostel, auszurufen: „Die Liebe Jesu Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Er wollte damit sagen, daß nicht so sehr dasjenige, was Jesus Christus für uns gelitten, als vielmehr die Liebe, welche er uns durch sein Leiden bewiesen hat, uns verpflichtet, ja uns gleichsam nötigt, ihn wieder zu lieben. Hören wir, wie der heilige Franz von Sales sich über diesen Text ausspricht: „Wenn wir bedenken, daß Jesus Christus, unser wahrer Gott, uns so sehr geliebt hat, daß Er für uns den Tod, den Tod am Kreuze, erleiden wollte, muß dieser Gedanke nicht wie eine Kelter sein, welche unser Herz unwiderstehlich erfaßt und dem Herzen die Liebe mit einer
Gewalt erpreßt, die umso stärker ist, je liebenswürdiger sie ist.“ Der Heilige setzt hinzu: „Ach, warum umfangen wir also nicht Jesus, den Gekreuzigten, um auf dem Kreuze mit demjenigen zu sterben, der aus Liebe zu uns sterben wollte? “Ja, ich will das Kreuz festhalten, soll jeder von uns ausrufen, ich will es nie mehr lassen, ich will mit Jesus sterben, ich will von den Flammen seiner Liebe verzehrt werden: ein
und dieselbe Flamme soll den Göttlichen Schöpfer und sein armseliges Geschöpf verzehren. Mein Jesus schenkt sich mir, und ich schenke
mich Ihm. Die Liebe ist die größte der drei göttlichen Tugenden. Sagt doch der heilige Völkerapostel Paulus: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; das größte aber unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13, 13) Der Heiland selbst hat sie uns als Gottes- und Nächstenliebe besonders gelehrt und geboten: „Du sollst deinen Herrn, deinen Gott mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte lieben; und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Matth 22, 37-39). Die Liebe ist aber zutiefst in der Tat begründet. Christus sagte ja:
„Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ (Job 14, 15.) Die so geübte Liebe zeitigt herrliche Früchte : sie wandelt und heiligt uns. schützt uns vor
Sünde, vervielfacht unsere Kräfte, gibt uns Freude und Frieden und führt uns zur Vereinigung mit Gott, der unendlichen Liebe selbst. Üben auch wir diese Gottes- und Nächstenliebe. Halten wir Gottes Gebote und befolgen wir die Worte, die der Heiland in der Bergpredigt sprach: „Alles was ihr von anderen Menschen erwartet, das tut auch ihnen.“ (Matth 7, 12)
Quellen:
-Wilfried Kirsch, Handbuch des Rosenkranzes, Wien 1950
-P. Gabriel a S. Maria Magdalena O.C.D.: Geheimnis der Gottesfreundschaft
-Hl. Augustinus, zitiert in: J: Stöhr, Christliche Freude, St. Ottilien 1988
-Hl. Alfons Maria von Liguori, Die Liebe zu Jesus Christus, Köln 1998