Die Behauptung, dass die Bibel verfälscht sei, wird oft von muslimischen Gelehrten erhoben, obwohl der Koran selbst an mehreren Stellen die Authentizität der christlichen und jüdischen Schriften anerkennt. Historische und textkritische Untersuchungen zeigen auf, dass diese Behauptung nicht haltbar ist. Wenn wir die Aussagen des Korans im Kontext betrachten, zeigt sich ein Widerspruch, der aus historischen und logischen Gründen die Idee einer „Verfälschung“ der Bibel widerlegt.
Die Anerkennung der jüdischen und christlichen Schriften im Koran
Der Koran verweist mehrfach auf die Tora (Taurat) und das Evangelium (Injil) als göttliche Offenbarungen:
Sure 5:46-47: „Und Wir ließen ihnen (den Juden und Christen) Jesus, den Sohn Marias, folgen, um die Tora zu bestätigen, die vor ihm war. Und Wir gaben ihm das Evangelium… die, die danach urteilen, was Allah darin herabgesandt hat, handeln recht.“
Sure 10:94: „Wenn du (Mohammed) im Zweifel bist über das, was Wir zu dir herabgesandt haben, so frage diejenigen, die die Schrift vor dir lesen.“
Diese Verse zeigen deutlich, dass Mohammed und seine Anhänger angewiesen wurden, die Juden und Christen zu konsultieren und deren Schriften als gültig zu betrachten.
Implikation:
Wenn Mohammed davon ausging, dass die Bibel in seiner Zeit verfälscht war, wäre es unlogisch, dass er seine Anhänger dazu auffordert, sich an die Schriftbesitzer (Juden und Christen) zu wenden.
Es zeigt, dass Mohammed offenbar Vertrauen in die Authentizität der Bibel seiner Zeit hatte.
Das Fehlen eines alternativen „unverfälschten“ Evangeliums
Muslime argumentieren oft, dass das Injil (Evangelium), auf das der Koran sich bezieht, ein anderes sei als die heute vorliegende Bibel. Jedoch gibt es keinerlei historische oder archäologische Hinweise auf ein solches „ursprüngliches“ Evangelium, das sich fundamental von den heute bekannten Texten unterscheidet.
Manuskriptbeweise:
Manuskripte des Neuen Testaments existieren aus Zeiten vor Mohammed (z. B. der Codex Sinaiticus aus dem 4. Jahrhundert und die Papyri aus dem 2. und 3. Jahrhundert). Sie stimmen inhaltlich mit den späteren Versionen überein.
Manuskripte aus der Zeit während Mohammeds (7. Jahrhundert) und danach zeigen ebenfalls keine Abweichungen in den zentralen Botschaften.
Diese Konsistenz belegt, dass die Bibel vor und während Mohammeds Zeit unverändert war.
Implikation:
Wenn ein „unverfälschtes“ Evangelium existiert hätte, hätte es in den umfangreichen archäologischen und historischen Beweisen Spuren hinterlassen müssen. Kein solches Dokument wurde je gefunden.
Daher ist es unwahrscheinlich, dass das Injil, das der Koran erwähnt, etwas anderes ist als das bekannte Evangelium.
Der historische Kontext der Verfälschungsvorwürfe
Die Behauptung, dass die Bibel verfälscht sei, taucht erst nach Mohammeds Zeit auf, insbesondere durch muslimische Gelehrte des 9. und 10. Jahrhunderts wie Ibn Hazm. Im Koran selbst gibt es keinen expliziten Hinweis darauf, dass die Bibel in ihrer Gesamtheit verfälscht worden sei. Stattdessen kritisiert der Koran spezifische Interpretationen oder das Verhalten von Juden und Christen:
Sure 2:79: „Wehe denjenigen, die die Schrift mit ihren eigenen Händen schreiben und dann sagen: ‚Das ist von Allah.‘“
Dieser Vers spricht von einer lokalen Manipulation oder Fehlinterpretation, nicht von einer universellen Verfälschung der gesamten Bibel.
Implikation:
Der Koran greift einzelne Praktiken an, ohne jedoch die gesamten Schriften zu diskreditieren. Spätere muslimische Theologen extrapolierten diese Kritik und entwickelten die Idee einer umfassenden Verfälschung, um Widersprüche zwischen Koran und Bibel zu erklären.
Die Unveränderlichkeit der Bibel im Vergleich zum Koran
Die Behauptung der Verfälschung widerspricht auch der historischen Überlieferungspraxis:
Die Bibel: Durch die Verbreitung in verschiedenen Sprachen (Griechisch, Latein, Syrisch, Koptisch) und Regionen war es unmöglich, den gesamten Text einheitlich zu verändern. Die große Anzahl an Manuskripten aus verschiedenen Jahrhunderten erlaubt es, den ursprünglichen Text nahezu lückenlos zu rekonstruieren.
Der Koran: Die zentrale Kontrolle der Überlieferung unter Kalif Uthman, der alternative Versionen zerstören ließ, macht die Überprüfung der ursprünglichen Offenbarung nicht möglich.
Implikation:
Die Bibel weist eine größere Vielfalt und Transparenz in der Überlieferung auf, was Fälschungen ausschließt. Der Koran hingegen basiert auf einer politisch standardisierten Textversion.
Fazit: Die Behauptung der Verfälschung ist unbegründet
Die Idee, dass die Bibel verfälscht wurde, widerspricht sowohl der internen Logik des Korans als auch den historischen und textkritischen Beweisen. Mohammed selbst setzte voraus, dass die Bibel seiner Zeit authentisch war, da er die Juden und Christen dazu aufforderte, ihre Schriften zu konsultieren. Darüber hinaus zeigen die Manuskripte der Bibel, dass diese Texte vor, während und nach Mohammeds Zeit unverändert geblieben sind.
Ein solches Maß an Konsistenz und Überlieferungstreue widerlegt die Behauptung einer universellen Verfälschung der Bibel und unterstreicht, dass der Koran und spätere muslimische Interpretationen diesen Vorwurf nicht stichhaltig machen können.