Ganz abgesehen vom Grad der Liebe, den eine Seele erreicht haben mag, und von einer besonderen Berufung, besteht für jeden Christen die Pflicht zum Apostolat. Sie gründet auf der Tatsache seines Christseins selbst, das ihn ja zum Glied am mystischen Leibe Christi macht.
„Alle Übel entspringen der Tatsache, dass wir für fremd ansehen, was doch zu unserm eigenen Leib gehört“ (hl. Chrysostomus).
So spricht der hl. Paulus von der apostolischen Arbeit: „Wir sind Gottes Mitarbeiter“ (Kor. 3, 9).
Man kann aber nicht Mitarbeiter Gottes sein, fügsames Werkzeug in seiner Hand, man kann nicht eines Sinnes mit Christus seiner Liebe und seinem Werk der Seelenrettung zugesellt sein ohne ein Leben inniger Vertrautheit mit Gott.
Durch Gebet und Kampf gegen die Sünde, durch Selbstverleugnung und Tugendübung löst das innerliche Leben die Seele nach und nach von ihren Fehlern und fördert in ihr die Entfaltung der Gnade und Liebe; Gnade und Liebe aber sind Teilnahme am Leben Gottes selbst. Daraus folgt: je mehr eine Seele ihr innerliches Leben pflegt, um so näher kommt sie Gott. Ist sie ihm durch Liebe und Gnade verähnlicht, so kann sie in vertrautem Umgang mit ihm leben, sich seiner Freundschaft erfreuen, in seine Geheimnisse eindringen und an ihnen teilnehmen.
Für die Ziele des Apostolates genügt nicht jene erste Stufe der Gottesfreundschaft, wie sie sich aus dem Freisein von schwerer Sünde ergibt; es bedarf vielmehr einer tieferen Freundschaft, wie sie die Gleichförmigkeit der Ansichten, des Willens und Neigungen schafft. Dann vermag der Apostel nach dem Herzen Gottes zu handeln, nicht von seinen persönlichen Antrieben bewegt, sondern von den Antrieben der Gnade, des göttlichen Willens, den Einsprechungen des Heiligen Geistes. Es ist bezeichnend, dass Jesus ehe er die Apostel zur Welteroberung aussandte, sie drei Jahre hindurch in vertrautem Umgang mit sich leben lassen und als wahre Freunde behandeln wollte: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte… ich nenne euch Freunde“ (Joh. 15, 15). Sie sind seine Freunde, nicht nur, weil er ihnen die Reichtümer seines göttlichen Lebens mitgeteilt hat, sondern auch weil er sie zu Mitarbeitern annahm, die in gewissem Sinne seine Erlösersendung fortführen sollten.
Man kann nicht Apostel sein, ohne Freund Gottes zu sein. Gott selbst lädt zu dieser Freundschaft ein; doch es ist notwendig, dass ihr ein ernstes Innenleben entspreche, das die Beziehung zu Gott immer inniger und liebevoller gestaltet. Nur der Gottesfreundschaft, nur der Liebe, die mit Gott vereinigt,welcher der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, entspringt jene übernatürliche Kraft, die jede Form des Apostolates wirksam macht.
Quelle: Geheimnis des Gottesfreundschaft