Jerusalem und das Westjordanland erleben derzeit eine neue Welle religiös motivierter Unruhen, die zunehmend die christliche Minderheit in der Region treffen. Im Zentrum der Eskalation steht eine kleine, aber radikale Gruppe jüdischer Extremisten, deren Aktionen sowohl internationale Empörung als auch wachsende Angst unter den Betroffenen hervorrufen. Der islamische Großmufti von Jerusalem wurde von israelischen Behörden verbannt.
Verbannung des Großmuftis und Provokationen auf dem Tempelberg
Am 7. August verhängte die israelische Polizei ein sechsmonatiges Betretungsverbot gegen den Großmufti von Jerusalem, Muhammad Ahmad Hussein, für den Tempelberg und die Al-Aksa-Moschee. Vorausgegangen war eine Predigt, in der er das Aushungern der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen verurteilte. Die Maßnahme erfolgte in einer ohnehin angespannten Atmosphäre, verschärft durch den Besuch von Israels rechtsextremem Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der dort in Abkehr von langjährigen Gepflogenheiten jüdische Gebete leitete – ein Schritt, den Jordanien als „Provokation“ bezeichnete.
Christen zwischen den Fronten
Während der Fokus internationaler Medien häufig auf dem muslimisch-jüdischen Konflikt liegt, geraten die wachsenden Übergriffe auf Christen oft in den Hintergrund. In den vergangenen Monaten kam es zu einer besorgniserregenden Serie von Vorfällen, bei denen christliche Stätten und Gemeinden ins Visier jüdischer Extremisten gerieten.
So drangen Siedler im Gebiet von Jericho in das Gelände des orthodoxen Klosters des heiligen Gerasimos ein und beanspruchten es widerrechtlich für sich. Das Kloster, gegründet im 5. Jahrhundert, ist eines der ältesten und bedeutendsten Klöster der Orthodoxie im Heiligen Land. Internationale Reaktionen blieben nicht aus: Das griechische Außenministerium berief eine Krisensitzung ein, um diplomatische Schutzmaßnahmen zu beraten.
Angriff auf das christliche Dorf Taibe
Einer der schwersten jüngsten Angriffe ereignete sich im christlich geprägten Dorf Taibe im Westjordanland. Berichten zufolge griffen radikale jüdische Extremisten in der Nacht Häuser und Fahrzeuge an, beschädigten Kirchenmauern und hinterließen Hassparolen. Die Dorfbewohner sprechen von einem gezielten Einschüchterungsversuch, um die christliche Präsenz in der Region zu schwächen. Dieser Vorfall reiht sich in eine lange Liste ähnlicher Attacken ein, die vom Vandalismus an kirchlichen Einrichtungen bis hin zu Brandstiftungen reichen.
Internationale Besorgnis wächst
Patriarch Theophilos III. von Jerusalem warnte unlängst, dass das christliche Erbe im Heiligen Land in ernsthafter Gefahr sei, und rief Papst Franziskus sowie andere Kirchenführer zu verstärktem Einsatz auf. Diplomatische Stimmen aus Griechenland, Jordanien und weiteren Ländern mahnen, dass der Schutz heiliger Stätten und religiöser Minderheiten nicht länger dem politischen Kalkül geopfert werden dürfe. Auch der katholische lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pizzaballa, mahnte zum Frieden. Kardinal Pizzaballa verurteilte jüngst den Angriff der israelischen Armee, auf die einzige katholische Kirche im Gazastreifen.