Die berühmten Eröffnungsverse des Johannesevangeliums stellen eine tiefgreifende theologische Aussage über das „Wort“ Gottes (griechisch: Logos) dar:
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe entstanden, und ohne dasselbe ist auch nicht eines entstanden, was entstanden ist.“ (Johannes 1,1–3) Diese Verse sind mehr als ein poetischer Prolog. Doch wo im Alten Testament begegnen wir dieser Vorstellung vom personifizierten „Wort“ („λόγος“ (logos)) Gottes? Eine große Überraschung für Protestanten, dass sich im deuterokanonischen Buch Weisheit die detailliertes Prophetie des Logos befindet.
Das „Wort“ Gottes auf Hebräisch im Alten Testament
In der hebräischen Bibel ist das „Wort“ Gottes (hebräisch: dābār) kein abstrakter Begriff, sondern eine konkrete, Wirksamkeit Gottes, durch die er schafft, offenbart und richtet. Besonders zentrale Stellen sind:
Psalm 33,6
„Durch des HERRN Wort ist der Himmel gemacht, und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“
Gottes Wort ist hier das Instrument der Schöpfung – eine Vorstellung, die Johannes in 1,3 direkt aufgreift.
Jesaja 55,11
„So ist mein Wort, das aus meinem Mund hervorgeht: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will.“
Das Wort handelt eigenständig, bewirkt etwas und kehrt zurück – fast eine Personifikation.
Genesis 1
„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“
Die Schöpfung vollzieht sich durch Gottes gesprochenes Wort. „Im Anfang“ ist nicht nur zeitliche Angabe, sondern theologischer Raum – der auch im Johannesprolog neu aufgegriffen wird.
Der wortwörtliche Logos im alten Testament – im Buch Weisheit
Noch näher an Johannes 1 ist die spätere jüdische Weisheitsliteratur, insbesondere das auf griechisch überlieferte Buch der Weisheit, welches Protestanten in ihrem falschen Bibelkanon ablehnen.
Griechischer Urtext: Das Wort „Logos“ in der Weisheit
Das Buch der Weisheit verwendet tatsächlich das griechische Wort „λόγος“ (logos) – exakt dasselbe Wort wie in Johannes 1:1.
Weisheit 9,1:
„πάντα ἐποίησας ἐν λόγῳ σου“
„Du hast alles durch dein Wort (logos) gemacht.“
Weisheit 18,15:
„Κατέβη σου ὁ παντοδύναμος λόγος ἐκ τοῦ οὐρανοῦ“
„Dein allmächtiges Wort (logos) kam vom Himmel herab.“
Diese Texte beschreiben den Logos als schöpferisch, mächtig und sogar vom Himmel herabsteigend – was eine direkte Brücke zu Johannes bildet.
Theologische Tiefe und Kontinuität der Schrift
Die Verwendung des Begriffs Logos sowohl im Buch der Weisheit als auch im Johannesevangelium zeigt nicht nur eine sprachliche, sondern eine tiefe theologische Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testament. Die Schrift entfaltet ihre Aussagen progressiv – von der machtvollen Wirkung des göttlichen Wortes in der Schöpfung (Genesis 1), über seine personifizierte Beschreibung in der Weisheitsliteratur, bis hin zur fleischgewordenen Gestalt des Logos in Christus (Johannes 1,14).
Diese Kontinuität zeigt, dass die Heilige Schrift in sich stimmig und geistlich präzise ist: Die alttestamentlichen Schriften enthalten bereits die wesentlichen Samen der neutestamentlichen Offenbarung. Johannes verkündet also nicht etwas Fremdes oder Bruchartiges, sondern bringt in Jesus Christus die bereits angelegte theologische Linie zur Erfüllung.
Die Weisheitsliteratur, deuterokanonischen Schriften, vor allem das Buch der Weisheit – führt diese Vorstellung weiter und verwendet dabei bereits den Begriff logos, ganz in der Tradition, die das Johannesevangelium aufgreift und vertieft.
Ein Schatz auf den die Protestanten mit ihrem unvollständigen Bibelkanon freiwillig verzichten.