Wie hat Ratzinger das Selbstverständnis der Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil verändert?

Anfang des Jahres ließ der Augsburger Bischof Bertram Meier laut Tagespost mit folgendem Satz aufhorchen: „Keine Kirche hat die Wahrheit für sich gepachtet. […] Anderssein ist keine Gefahr, sondern bietet die Möglichkeit, voneinander zu lernen“.

Dem rechtgläubigen Katholiken müssen bei solchen Aussagen die Haare zu Berge stehen. Die katholische Kirche hat sich immer als die von Christus gestiftete und damit wahre Kirche verstanden, wie Matthäus 16, 18-19 bezeugt:

„Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Und dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben. Was du immer binden wirst auf Erden, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was du immer lösen wirst auf Erden, wird auch im Himmel gelöst sein“, heißt es dort.

Im Laufe der Kirchengeschichte sind jedoch durch verschiedene philosophische und theologische Strömungen Irrlehren entstanden, die nicht selten zu Abspaltungen von der wahren Kirche geführt haben. Als Beispiele seien hier nur die Schismatiker der Ostkirche und die Protestanten nach der Deformation durch Martin Luther genannt.

Dennoch blieb das Selbstverständnis der katholischen Kirche gegenüber den anderen Spaltungen unverändert. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Um nur einige Zitate von Heiligen und Kirchenlehrern zu dieser Frage zu nennen:

„Es ist notwendig zu glauben, dass die eine und wahre Kirche ist, die römische Kirche, außerhalb derer niemand gerettet werden kann.“ (Heiliger Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, Q. 1, Art. 9)

„Es gibt nur eine Kirche, eine Braut Christi, und sie kann nicht in viele Teile geteilt werden. Wenn es aber nur eine Braut Christi gibt, nämlich die katholische Kirche, können wir nicht glauben, dass jemand, der von ihr getrennt ist, das Heil erlangt.“ (Heiliger Cyprian von Karthago, „De Unitate Ecclesiae“, Über die Einheit der Kirche)

„Die katholische Kirche allein ist der Leib Christi, dessen Haupt der Heiland ist; außerhalb dieses Leibes wird niemand gerettet.“ (Augustinus von Hippo,

„Sola catholica Ecclesia corpus est Christi, cuius caput est Salvator; extra hoc corpus nemo salvatur.“)

Vor dem Konzil betonte Papst Pius XII. in seinem Rundschreiben Mystici Corporis noch, dass „der mystische Leib Christi und die römisch-katholische Kirche […] ein und dasselbe“ seien.

Mit anderen Worten: Die katholische Kirche ist völlig identisch mit dem mystischen Leib Christi. Das schließt natürlich nicht aus, dass es vereinzelt Menschen „guten Willens“ ,außerhalb der sichtbaren Struktur der Kirche, gibt, die in gewisser Weise zum mystischen Leib der Kirche gehören.

Im Konzil selbst, und zwar in Lumen Gentium, Artikel 8, heißt es dagegen:

„Diese Kirche in dieser Welt, als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche (auf lat. subsistit in ecclesia catholica), die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“.

In dem Buch „Kleine katholische Dogmatik“ von J. Auer und J. Ratzinger (1983) wird deutlich, dass das II. Vatikanum die Identifizierung der römischen Kirche mit der wahren Kirche Christi durch die Aussage ersetzt habe, dass „in der katholischen Kirche […] die wahre und ganze Weltkirche subsistiere“.

Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass der Konzilstext damit sagt, dass die wahre Kirche sicher in der katholischen Kirche zu finden sei, was jedoch nicht ausschließe, dass sie auch „in anderen Kirchen präsent sei“, heißt es in dem Buch.

Was auf den ersten Blick wie eine harmlose Formulierung klingt, entpuppt sich als Selbstzerstörung der Kirche im Schafspelz. Bei O.H. Pesch liest man zu dieser Aussage des Konzilsdokument:

„Diese berühmte Formulierung in Artikel 8 der Kirchenkonstitution enthält die wichtigste theologische Selbstrelativierung der Kirche Roms, die genau genommen dem Ökumenismus-Dekret überhaupt erst Realitätswert gibt“.

Auch die beiden nach dem Konzil erschienenen Veröffentlichungen des Präfekten der Glaubenskongregation, damals Kardinal Ratzinger, zur Subsistit-in-Lehre konnten keine abschließende Klärung bringen und sind daher nach Dr. Wolfgang Schüler „gescheitert“:

„In beiden Fällen geht der Präfekt der Glaubenskongregation an der Aussageabsicht des Konzils vorbei und vertritt Positionen, die auch mit Veröffentlichungen von ihm aus früheren Jahren unvereinbar sind. Zwar muss man ihm wie jedem anderen zubilligen, dass er seine Ansicht ändern kann, dann wäre allerdings von ihm zu erwarten, dass er seinen Sinneswandel eingesteht und die fälligen Konsequenzen zieht, woran er aber nicht zu denken scheint. Das ist ein Indiz dafür, dass es sich bei ihm nicht um eine wirkliche Sinnesänderung handelt, sondern nur um eine Maßnahme zur Schadensbegrenzung“.

Wie das Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X. von Pater Markus Heggenberger Anfang der 2000-er Jahre berichtet, soll übrigens Kardinal Ratzinger selbst den Vorschlag zu dieser Formulierung in das Konzilsdokument eingebracht haben – auf Anregung des protestantischen Theologen und Konzilsbeobachters Wilhelm Schmidt.

Über die Subsistit-Formel des Konzils sagte der junge Ratzinger damals, sie sei eine „Reduktion des Absolutheitsanspruchs, die in der neuen Formel artikuliert ist“. (J. Ratzinger: Das neue Volk Gottes, Düsseldorf 1969, S. 236)

Noch während des Konzils hat Ratzinger sogar geschrieben:

„An die Stelle der Konversion, die für den einzelnen, den sein Gewissen so weist, durchaus ihren Sinn behält, wird grundsätzlich die Idee der Einheit der Kirchen treten, die Kirchen bleiben und doch eine Kirche werden.“ (J. Ratzinger: Das Konzil auf dem Weg. Rückblick auf die zweite Sitzungsperiode, Köln 1964, S. 65 f)

Schüler hält daher abschließend fest:

„Das Zweite Vatikanum hat, entgegen den Behauptungen von Ratzinger, in den beiden letztgenannten Veröffentlichungen nicht nur orthodoxe, sondern auch protestantische Gemeinschaften als Kirchen bezeichnet. Die Bezeichnung kirchliche Gemeinschaft bei letzteren deshalb hinzugefügt, weil es unter diesen solchen gibt, die für sich die Bezeichnung Kirche ablehnen. Mit dem ist verwirklicht, hat es (das Zweite Vatikanische Konzil) absichtlich eine zweideutige Formulierung gewählt und deren falsche Interpretation im Sinne von ist auch verwirklicht begünstigt“.

Abschließend können wir festhalten, dass Aussagen wie die von Bischof Meier jeder Grundlage entbehren und sachlich falsch sind. Das exklusive Selbstverständnis der katholischen Kirche ist die Grundlage für eine wahre Missionierung und Ökumene: die Rückkehrökumene.

Damit ist die Rückkehr aller von der Kirche getrennten Gemeinschaften in die heilige katholische Kirche gemeint.

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